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Mit Zucker gegen Malaria

Mit Zucker gegen Malaria

Körber-Preis Verleihung im Hamburger Rathaus

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Heute (7.September 2007) wird der Chemiker Prof. Peter Seeberger ausgezeichnet. Für seine weitere Forschungsarbeit erhält er damit 750 000 Euro.

Angela Grosse, Hamburger Abendblatt , erschienen am 7. September 200

Mit Zuckerketten gegen Malaria - dafür wird Prof. Peter Seeberger von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich heute im Hamburger Rathaus mit dem Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2007 ausgezeichnet. Er schuf ein Werkzeug, das die Diagnostik und Therapie von Krankheiten und die Grundlagenforschung in Biologie und Medizin beflügelt.

Wie Prof. Peter Seeberger mit Holzbausteinen und Ballon demonstriert, hängen die Chemiker den ersten Zuckerbaustein der Kette an ein Plastikkügelchen und reihen weitere daran. Das Produkt landet auf einem Filter, der wird gespült − übrig bleibt Zucker. Foto: Körber

"Wenn Sie sich eine menschliche, eine bakterielle oder eine virale Zelle anschauen, dann sehen Sie auf der Oberfläche viele Zuckermoleküle. Die Zellen haben sozusagen einen Zuckerpelz", erläuterte der Chemiker auf dem 41. Hamburger Wissenschaftsforum, das Ende April im KörberForum stattfand.

Diesem Zuckerpelz rücken die Wissenschaftler auf den Leib. Denn Zuckermoleküle sorgen nicht nur dafür, dass Zellen stabil sind, sie sind - neben den Nukleinsäuren und den Eiweißen - die dritte Sprache des Lebens. Diese Sprache kann jetzt, nachdem Prof. Seeberger und sein Team einen Zuckersynthese-Automaten gebaut haben, Stück für Stück verstanden und manipuliert werden. Mit dem Automaten können die Wissenschaftler Zucker gezielt zu längeren Ketten zusammensetzen und somit nahezu alle Zucker herstellen und untersuchen, die auf den Zellen von Menschen, Viren, Bakterien oder Parasiten vorkommen. Damit eröffnet sich ihnen eine neue Welt.

"Generell gilt, unterschiedliche Erreger haben unterschiedliche Zucker auf ihren Oberflächen", so Seeberger. Interessanterweise seien die Zucker auf der Zelloberfläche von Bakterien und Viren recht stabil, anders als die Eiweiße. Deshalb seien Zucker als Angriffspunkt für Wirk- oder Impfstoffe so attraktiv. Denn ein zentrales Problem bei der Herstellung eines Impfstoffes gegen Malaria war bislang, dass sich die Eiweiße auf der Zelloberfläche des Erregers so schnell verändern - und damit der Impfstoff unwirksam wird. Mit Seebergers neuer Technik eröffnete sich eine neue Strategie für einen Impfstoff gegen diese Krankheit, an der in Afrika alle zwanzig Sekunden ein Kind stirbt.

Die Idee war die folgende: Man stelle die Zucker, die auf der Oberfläche der Erreger vorkommen, künstlich her. Mit diesen Zuckern "erziehe" man das menschliche Immunsystem so, dass es alle Zellen, die diesen spezifischen Zucker tragen, erkennt und vernichtet. Versuche mit Mäusen zeigten 2002, dass diese Strategie funktioniert. Nach der Impfung überlebten die Mäuse eine Infektion mit Malaria zu 80 Prozent. Seither hat Seeberger das Malaria-Impfstoff-Programm vorangetrieben. Er gründete zu diesem Zweck 2002 die US-Firma Ancora Pharma, die jetzt mit einem großen Impfstoffhersteller zusammenarbeitet. Im kommenden Jahr sollen in Afrika die ersten Impfstudien starten.

Mit den künstlich hergestellten Zuckern revolutionieren die Forscher aber nicht nur die Medizin, sie betreten auch wissenschaftliches Neuland. "Die Zucker sind eine dritte Sprache im Leben. Diese Sprache kann man erst jetzt entschlüsseln und verstehen", urteilt Prof. Bernhard Fleischer, Chef des Bernhard-Nocht-Instituts. Mit Forschern dieses Hamburger Instituts arbeitet Professor Seeberger zusammen.

Die 750 000 Euro Preisgeld müssen die Wissenschaftler für ein konkretes Forschungsprojekt verwenden - Seeberger wird es in die Malaria-Forschung stecken.

Forschen - weil der Mensch neugierig ist . . .

Der Nürnberger Chemiker wurde im Rathaus geehrt. Ihm ist es gelungen, einen Malaria-Impfstoff herzustellen. Astronaut Thomas Reiter hielt die Festrede.

Von Günter Stiller, erschienen am 8. September 2007 Hamburger Abendblatt

"Warum erkunden und erforschen Wissenschaftler neue Horizonte?", fragte am Freitag Astronaut Thomas Reiter (49) im Großen Festsaal des Rathauses und gab 500 Gästen der Hamburger Körber-Stiftung aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sofort die schlüssige Antwort: "Wissenschaft wird nicht nur wegen eines politischen, wirtschaftlichen oder industriellen Nutzens betrieben, sondern, weil die Menschen neugierig sind!"

Dieselbe Neugier, die Reiter in den Weltraum trieb, wo er 350 Tage seines Lebens bei wissenschaftlicher Arbeit in der Schwerelosigkeit verbrachte, verbindet den hessischen Raumfahrer mit dem Nürnberger Chemiker Peter Seeberger (41), Professor für anorganische Chemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, dem die Körber-Stiftung gestern ihren Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2007 verlieh.

Dieser Preis für zukunftsweisende Forschungsarbeiten - Bürgermeister Ole von Beust nennt ihn "Hamburgs Nobelpreis" - war 1984 von dem Hamburger Unternehmer, Erfinder und Stifter Kurt A. Körber (1909-1992) begründet worden. Für Seeberger, dem Fachleute einen wissenschaftlichen Durchbruch zusprechen, scheint er wie geschaffen:

Bisher war es Medizinern noch nicht gelungen, Impfstoffe gegen Malaria und Aids - den weltweit größten "Killern" unter den Infektionskrankheiten - zu entwickeln. In Afrika sterben daher über zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren jährlich an Malaria. Dem deutschen Chemiker und seinem Team aber ist es in jahrelanger Arbeit mittels einer automatischen Synthesemaschine für Kohlenhydrate, der sogenannten Zuckermaschine, gelungen, bekannte Glykane von Krankheitserregern künstlich herzustellen und zu Impfstoffen gegen Malaria und Aids zu verarbeiten. In Tierversuchen haben sie sich bereits als wirksam erwiesen, 2008 soll der Malaria-Impfstoff erstmals am Menschen erprobt werden.

"Das ideale Gegenmittel gegen den Malaria-Tod von jährlich zwei Millionen Kindern wäre ein kostengünstiger Impfstoff, den afrikanische Säuglinge bei Routineimpfungen erhalten und der sie lebenslang immun gegen Malaria machen würde", sagte Forscher Seeberger. "Für die Malaria-Impfung reicht pro Kopf eine Zuckermenge von einigen Millionstel Gramm. Wir bräuchten daher, wenn wir afrikanische Kleinkinder impfen wollten, insgesamt etwa nur vier Kilo pro Jahr." (Das Abendblatt berichtete.)

Dr. Klaus Wehmeier, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Körber-Stiftung, schilderte den Preisträger, der lange Zeit in den USA gearbeitet hatte, als einen Wissenschaftler, den nicht nur der Forscherdrang antreibt, sondern auch der Wille, den Menschen zu helfen:

"Er ist daher unter die Stifter gegangen und unterstützt Projekte zur Herstellung kostengünstiger Moskitonetze in Afrika, bis Impfstoffe frühestens 2013 in großen Mengen zur Verfügung stehen. Solange der Impfstoff fehlt, bleibt Präventation der beste Schutz gegen die Malaria."